Qualzucht gekauft – Was nun?

ZDF, Volle Kanne: Qualzucht gekauft

In der ZDF-Sendung „Volle Kanne“ vom 08.05.2023 wurde ich zu einem meiner Fälle betreffend den Kauf von Qualzuchten interviewt. Der Beitrag kann hier in der ZDF-Mediathek angesehen werden (ab 03:14).

In Ergänzung zu dem Fernsehbeitrag wird das Thema Qualzucht in diesem Artikel noch weiter beleuchtet.

Beispiele für Qualzuchten

Rassen wie die Französische Bulldogge oder der Pomeranian erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie sind klein und niedlich und begeistern aufgrund des Kindchenschemas auch im Erwachsenenalter noch mit einem eher welpenhaften Aussehen. Gerade dieses Äußere geht jedoch in der Regel mit einer Vielzahl von Problemen einher.

Dieser Beitrag soll anhand von einigen wenigen Rassebeispielen das Problem von Qualzucht erläutern. Die Aufzählung ist bei Weitem nicht abschließend und jeder potenzielle Tierhalter sollte sich vor der Anschaffung eines Tieres unbedingt kritisch mit seiner Wunschrasse auseinandersetzen.

Französische Bulldogge

Die allseits beliebte Französische Bulldogge leidet unter einer Vielzahl von Problemen. Bestimmte Einschränkungen sind der Rasse immanent. Hier sei zunächst die verkümmerte Rute genannt, die auf einer massiven Wirbeldeformation beruht. Hunde verwenden ihre Rute als Hilfsmittel zum Halten und Wiederherstellen des Gleichgewichts, zur Wärmeregulation und insbesondere zur Kommunikation mit Artgenossen. Dies ist bei Hunden ohne Rute nicht möglich. Im Übrigen begrenzen sich die Deformationen der Wirbelsäule nicht lediglich auf die Rute. Französische Bulldoggen leiden fast immer unter weiteren Malformationen, z.B. unter Keilwirbeln im Rücken.

In einer Studie, an der 199 Französische Bulldoggen teilnahmen wurden lediglich bei 21 % keine Malformationen gefunden. Regelmäßig sind Schmerzen, oftmals aber auch Lähmungserscheinungen oder teilweise sogar vollständige Lähmungen die Folge. Von dem offensichtlichsten Problem der Französischen Bulldogge, der stark verkürzten Schnauze, ganz zu schweigen – Wer eine Französische Bulldogge erwirbt, kauft entsprechende Atembeschwerden in der Regel gleich mit.

Viele dieser Probleme entwickeln sich auch erst beim heranwachsenden Hund, sodass auch ein als „freiatmend“ gekaufter Welpe keineswegs eine Gewähr dafür bietet, dass nicht doch nach ein oder zwei Jahren eine Brachyzephalie-OP ansteht.

Toy- oder Zwergrassen, z.B. Pomeranian

Problematisch sind auch die sehr beliebten Toy- oder Zwergrassen, wie der Chihuahua oder der im Beitrag zu sehende Pomeranian Zwergspitz. Neben Skelettdeformationen und oft auch Brachyzephalie weisen solche Tiere häufig die sogenannte „Chiari-Like-Malformation“ und / oder Syringomyelien auf. Die Chiari-ähnliche Malformation, kurz CM, und Syringomyelie sind zwei zusammenhängende Erkrankungen, die neuropathische Schmerzen verursachen. Bei der CM kommt es zu Missbildung der hinteren Schädelregion, die zu einer Kompression des Kleinhirns und des Hirnstammes führt. Bei der Syringomylie kommt es zu Flüssigkeitsansammlungen im Rückenmark. Eine CM findet man am häufigsten bei der Rasse Cavalier King Charles Spaniel, wo bis zu 92 % der Population betroffen sind, aber auch bei vielen anderen kleinen Hunderassen, wie den Pomeranians aus dem Beitrag. Die Tiere zeigen oftmals das für die Erkrankungen typische „Phantomkratzen“.

Scottish Fold

Qualzuchten gibt es nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Katzen und Kleintieren.

Die Katzenrasse Scottish Fold beispielsweise verdankt ihre für viele besonders niedlich anmutenden Knickohren der sogenannten Osteochondrodysplasie, kurz OCD. Dabei handelt es sich um eine nicht heilbare Erbkrankheit, die sich v.a. auf Knorpel und Knochen auswirkt. Durch die Krankheit kann es zu einer Zerstörung des körpereigenen Knorpelgewebes kommen. Die OCD kann außerdem Gelenksschwellungen, missgestaltete Gliedmaßen, eine veränderten Körperhaltung sowie eine veränderten Gangart mit Bewegungseinschränkungen zur Folge haben.

Neben der Problematik der OCD schränken die missgebildeten Ohren die Katze unter anderem in der Kommunikation mit Artgenossen ein.

Problematische Züchtungen sind nicht immer offensichtlich

Leider sind auch viele Züchtungen problematisch, denen man dies nicht unbedingt ansieht. Kritisch zu sehen sind neben zahlreichen Rassen oftmals auch schlicht bestimmte Farbgebungen, die mit ernsthaften gesundheitlichen Einschränkungen einhergehen, z.B. bei einigen Hunderassen die Farbe silber / blau.

Ist der Kauf beim seriösen Züchter eine Alternative?

Wer denkt, die vorgenannten Probleme ließen sich verhindern, wenn man beim „seriösen Züchter“ kauft, irrt in der Regel: Der IKFG, der Internationaler Klub für Französische Bulldoggen, ist Mitglied im VDH, dem Verband für das Deutsche Hundewesen als größter Dachverband für Hundezucht und Hundesport in Deutschland. Dieser schreibt für Zuchttiere zwar eine Röntgenuntersuchung auf Keilwirbel vor. Allerdings sind Keilwirbel bei dieser Rasse so üblich, dass ein Tier mit 4-6 Keilwirbeln noch eine Zuchtzulassung erhält.

Dass Französische Bulldoggen eine stark verkürzte Schnauze und eine verkümmerte Rute haben, ist der Rasse schließlich immanent und lässt sich ebenfalls nicht durch einen Kauf beim „seriösen Züchter“ vermeiden.

Betreffend die Rasse Scottish Fold behaupten Katzenzüchter oft, dass es nur auf eine sorgsame Zucht ankäme und dass es lediglich bei einer Verpaarung von Scottish Fold mit Scottish Fold Probleme gäbe, eine Kreuzung mit British Kurzhaar aber unproblematisch sei. Doch auch wenn im ersteren Fall mit schwereren und früher auftretenden Einschränkungen zu rechnen ist, zeigt sich, dass auch Kreuzungen unter Beschwerden leiden.

Entsprechend machen – meiner Meinung nach – auch Rückzüchtungen zu einem „gesünderen Rassestandard“ bei vielen Rassen keinen Sinn. Selbstverständlich können bestimmte Linien gesünder sein als andere. Rassen wie die Französische Bulldogge wird man aber wohl niemals gesund gezüchtet bekommen, da entsprechende Probleme schlicht zum Rassestandard gehören. Der Weg zu deutlich gesünderen Exemplaren würde im Übrigen bei den meisten Rassen noch für zahlreiche Generationen viel Leid bedeuten, da Veränderungen nicht von heute auf morgen passieren.

In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch ein sehr hoher Kaufpreis, Papiere und Auszeichnungen keine Garanten für ein gesundes Tier sind.

Warum sind Qualzuchten dann nicht verboten?

Theoretisch sind Qualzuchten verboten. Denn: Laut § 11 b TSchG ist es „verboten, Wirbeltiere zu züchten (…) soweit züchterische Erkenntnisse (…) erwarten lassen, dass (…) erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten“.

Die vorstehend lediglich beispielhaft genannten Rassen erfüllen diese Kriterien. Teilweise sogar, wie die Französische Bulldogge mit ihrer verkümmerten Rute und die Scottish Fold mit ihren deformierten Ohren nicht nur ausnahmsweise und versehentlich, sondern absolut gewollt.

Ein ausdrückliches Verbot bestimmter Rassen, wie beispielsweise in den Niederlanden, existiert in Deutschland allerdings noch nicht.

Die zuständigen Behörden und Gerichte legen die Vorschrift im Tierschutzgesetz unterschiedlich streng aus. So hat z.B. das VG Ansbach in einem Urteil die Zucht von Scottish Fold als tierschutzwidrig eingestuft und das im konkreten Fall ausgesprochene Zuchtverbot gegen einen Züchter bestätigt.

Was kann ich tun, wenn ich eine Qualzucht gekauft habe?

Selbstverständlich hat jedes Tier das bestmögliche Zuhause und die bestmögliche medizinische Versorgung verdient – unabhängig von seiner Rasse. Es soll in diesem Beitrag auch keineswegs darum gehen, bestimmte Rassen oder gar ihre Besitzer zu diskreditieren. Wichtig ist es jedoch, ein Bewusstsein für diese Probleme zu entwickeln.

Zunächst ist essenziell, dass sich Besitzer über rassetypische Beschwerde und Krankheiten bewusst sind, Beschwerden als solche erkennen und vor allem auch bereit sind, diese anzuerkennen und nach Möglichkeit entsprechend zu lindern. Je nach Problematik können Operationen und / oder medikamentöse Behandlungen in Frage kommen.

Wenn man eine Qualzucht erworben hat, welche Beschwerden zeigt, sollte man außerdem anwaltlich klären lassen, ob Gewährleistungsrechte in Frage kommen. Gegebenfalls sind eine Kaufpreisminderung oder Schadensersatzansprüche möglich, siehe hierzu auch meinen letzten Blogbeitrag Welpe krank vom Züchter gekauft – Was tun?

Bei Qualzuchten kommen Gutachter und Gerichte teilweise zu dem Ergebnis, dass entsprechende Beeinträchtigungen noch im Rahmen des bei der Rasse zu erwartenden sind. Wer eine Französische Bulldogge kauft, kann also nicht automatisch den Kaufpreis mindern, weil der Hund Keilwirbel hat oder deutlich schlechter Luft bekommt, als der Jack Russel Terrier des Nachbarn.

In der Regel lohnt sich eine gründliche Prüfung durch einen im Tierrecht erfahrenen Rechtsbeistand.

Fazit

Schon aus Gründen des Tierwohls soll an dieser Stelle unbedingt davon abgeraten werden, Qualzuchten zu erwerben.

Hat man sich in eine problematische Rasse verliebt, sollte man sein Tier keinesfalls beim Züchter erwerben, sondern sich bestenfalls im Tierschutz umsehen, um die Nachfrage nicht zu fördern.

Wichtig ist auch: Wer sehenden Auges eine problematische Rasse wie die Französische Bulldogge kauft, bleibt gegebenenfalls auf den oftmals immensen Tierarztkosten sitzen. Denn nicht alle Gerichte halten den Käufer in einem solchen Fall für schutzwürdig.

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